Wie nehmen Schüler:innen Fairness und Ungleichheit im Bildungssystem und in der Gesellschaft wahr? Und wie reagieren sie darauf? Das untersucht das Projekt „PerFair“ an der Universität Konstanz im Rahmen des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Dessen Co-Sprecherin, Prof. Dr. Claudia Diehl, stellte in ihrer LIfBi Lecture Anfang Juni erste Ergebnisse vor. Hier wurde die subjektiv gefühlte, unfaire Zuordnung von Schüler:innen zu einer Schulform untersucht.
Die PerFair-Daten ermöglichen erstmals einen detaillierten Einblick, in welchem Ausmaß Schüler:innen ihre Behandlung im Schulalltag als unfair wahrnehmen. Mit 12 Jahren, in Klassenstufe 7, zeigen sich die meisten Schüler:innen zufrieden mit der Schulform, der sie zugewiesen wurden. Anders empfinden es jedoch viele Kinder und Jugendliche aus Minderheiten oder mit Migrationshintergrund. Sie erleben häufiger einen sogenannten „track mismatch“ – sie fühlen sich aufgrund unfairer Behandlung der falschen Schulform zugewiesen. Viele glauben, eigentlich auf eine höhere Schulform wie das Gymnasium zu gehören.
Tests zur Erfassung kognitiver Kompetenzen stützen diese Wahrnehmung nicht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich unter den Kindern mit Migrationshintergrund vor allem diejenigen mit unterdurchschnittlich kognitiven Leistungen unfair zugeordnet fühlen – und eben nicht diejenigen mit überdurchschnittlichen Leistungen. Zur Erklärung dieses Befunds knüpft Claudia Diehl an Erkenntnisse der Migrationsforschung an. Sie verweist auf den möglichen Einfluss des „immigrant optimism“ – dem positiven Bildungsglauben von Migrant:innen – und auf das Phänomen der nachträglichen Begründung des eigenen Misserfolgs („ex-post rationalization of failure“) mit gefühlter Diskriminierung im Schulsystem.
Während ihres Aufenthalts in Bamberg bot Claudia Diehl außerdem gemeinsam mit Prof. Dr. Steffen Schindler (Universität Bamberg) und Prof. Dr. Corinna Kleinert einen anderthalbtägigen Workshop an, an dem Mitarbeitende des LIfBi sowie Forschende der Universitäten Bamberg und Konstanz teilnahmen. Unter dem übergreifenden Thema „Schüler:innen in der Sekundarstufe: Ungleichheiten, Einstellungen, Perspektiven“ präsentierten und diskutierten sie aktuelle Forschungsprojekte auf Basis der Daten von Perfair, dem nationalen Bildungspanel (NEPS) und ReGES (Regugees in the German Educational System). Dazu zählten unter anderem Studien zu Zusammenhängen sozialer Ungleichheiten mit der politischen Beteiligung von Jugendlichen, mit der wahrgenommenen ethnischen Diskriminierung sowie mit den Bildungs- und Berufsaspirationen Jugendlicher.
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