Berufliche Geschlechtersegregation und ihre Folge für die (Re-)Produktion von Geschlechterungleichheiten im deutschen Arbeitsmarkt
 

Ziel

In diesem Projekt wurde die Bedeutung von Berufen, die für den Erwerbsverlauf in Deutschland besonders prägend sind, für die (Re-)Produktion von Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt untersucht. Aus der bisherigen Forschung war bereits bekannt, dass typische Frauen- und Männerberufe mit ungleichen Arbeitsmarktchancen einhergehen. Auf dieser Forschung aufbauend analysierten wir die ungleichheitsrelevanten Konsequenzen der beruflichen Geschlechtersegregation, sowohl auf beruflicher als auch individueller Ebene. 

 

Hintergrund

Zunächst untersuchten wir auf beruflicher Ebene, ob und wie sich Frauen- und Männerberufe abgesehen von ihrer Geschlechterzusammensetzung unterscheiden, zum Beispiel hinsichtlich ihres Lohnniveaus oder ihrer Arbeitszeitausgestaltung. Darauf aufbauend prüften wir, wie sich diese beruflichen Merkmale auf den individuellen Erwerbsverlauf auswirken und ob sie dadurch zur (Re-)Produktion von Geschlechterungleichheiten beitragen. 

 

Vorgehen und Methode

Zur empirischen Analyse beider Fragestellungen wurde auf Basis der Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiographien (SIAB) und des Mikrozensus ein Berufspanel generiert, mit dem längerfristige Trends der beruflichen Geschlechtersegregation und deren Zusammenspiel mit anderen beruflichen Merkmalen nachgezeichnet werden konnten. Die Ergebnisse dieser Analysen wurden genutzt, um ungleichheitsrelevante Indikatoren der Berufsstruktur zu identifizieren. Diese wurden dann den NEPS-Daten der Startkohorte 6 zugespielt und untersucht, wie sich die beruflichen Merkmale in geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei nichtmonetären Arbeitsmarktergebnissen niederschlagen und wie sie das geschlechtsspezifische Lohngefälle beeinflussen.

1. Projektphase

In der ersten Projektphase haben wir zunächst die langfristige Entwicklung beruflicher Geschlechtersegregation in (West-)Deutschland seit Mitte der 1970er Jahre dargestellt und analysiert, wie der Frauenanteil in Berufen kausal mit anderen Berufsmerkmalen, z.B. dem beruflichen Lohnniveau oder dem Teilzeitanteil zusammenhängt. Die Ergebnisse dieser Analysen wurden genutzt, um den Einfluss dieser beruflichen Merkmale auf individuelle Geschlechterungleichheiten in Karriereverläufen zu untersuchen. Insgesamt fokussierte die erste Projektphase vorrangig auf nicht-monetäre Aspekte der Arbeitsmarktungleichheiten zwischen Frauen und Männern.

2. Projektphase

Die berufliche Geschlechtersegregation ist aber auch zentral in der Erklärung der geschlechtlichen Lohnlücke in Deutschland. Unklar war jedoch, warum in Frauenberufen geringere Löhne gezahlt werden: Ist es allein der Anteil an Frauen in einem Beruf, der dafür verantwortlich ist? Oder gibt es andere Merkmale von Berufen, die mit dem Frauenanteil zusammenhängen und die zentral für das Verständnis der Lohnlücke sind? Und wenn ja, wie hat sich der Einfluss unterschiedlicher Berufscharakteristika auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen während der letzten 30 Jahre verändert?

Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten wir in der zweiten Projektphase, welche Bedeutung die geschlechtliche Differenzierung der Berufsstruktur in Deutschland für die Entwicklung der Lohnlücke seit Mitte der 1970er Jahre hat. Basis der Analysen war ein einzigartiger und innovativer Datensatz zu individuellen Löhnen im Lebensverlauf: Die NEPS Startkohorte 6 wurden mit Registerdaten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verlinkt und enthält dadurch zusätzlich sehr valide Lohn- und Firmeninformationen für die Erwerbsverläufe der Befragten. Zur Modellierung und Dekomposition der geschlechtlichen Lohnlücke wurden diesen Individualdaten die Informationen des in der ersten Projektphase generierten Berufspanels zugespielt und mit beruflichen Tätigkeitsprofilen angereichert.

 

Projekt-Steckbrief

 

 

 
Projektpartner
Leibniz-Universität Hannover
Ko-Leitung
 

Publikationen

2023

Kleinert, C., Leuze, K., Bächmann, A.-C., Gatermann, D., Hägglund, A. E., & Rompczyk, K. (2023). Occupational sex segregation and its consequences for the (re-)production of gender inequalities in the German labour market. In S. Weinert, G. Blossfeld, & H.-P. Blossfeld (Eds.), Education, competence development and career trajectories. Analysing data of the National Educational Panel Study (NEPS) (pp. 295–317). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-031-27007-9_13

2022

Bächmann, A.-C. (2022). Are female-dominated occupations a secure option? Occupational gender segregation, accompanied occupational characteristics and the risk of becoming unemployed. European Sociological Review. jcac068. https://doi.org/10.1093/esr/jcac068
Bächmann, A.-C., Gatermann, D., Kleinert, C., & Leuze, K. (2022). Why do some occupations offer more part-time work than others? Reciprocal dynamics in occupational gender segregation and occupational part-time work in West Germany, 1976-2010. Social Science Research. Article 102685. https://doi.org/10.1016/j.ssresearch.2021.102685

2017

Bächmann, A.-C., & Gatermann, D. (2017). The duration of family-related employment interruptions: The role of occupational characteristics. Journal for Labour Market Research, 50(1), 143-160. https://doi.org/10.1007/s12651-017-0226-4
Hägglund, A. E., & Bächmann, A.-C. (2017). Fast lane or down the drain? Does the occupation held prior to unemployment shape the transition back to work? Research in Social Stratification and Mobility, 49, 32-46. https://doi.org/10.1016/j.rssm.2017.03.005

2015

Hausmann, A.-C., Kleinert, C., & Leuze, K. (2015). "Entwertung von Frauenberufen oder Entwertung von Frauen im Beruf?" Eine Längsschnittanalyse zum Zusammenhang von beruflicher Geschlechtersegregation. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 67(2), 217-242. https://doi.org/10.1007/s11577-015-0304-y