In seinem Vortrag stellte Kroneberg den Kern des MFS vor, nämlich, dass es einen dualen Prozess der Informationsverarbeitung abbildet. Demnach werden rationale Entscheidungen vor allem dann getroffen, wenn keine (passenden) vorgefertigten Handlungsroutinen kognitiv verfügbar sind bzw. nicht durch situative Hinweisreize salient werden.
Damit integriert das Modell zwei in der wissenschaftlichen Gemeinschaft häufig als konträr wahrgenommene und debattierte Stränge der Handlungstheorie: die der rationalen Entscheidungstheorien einerseits und die der eher kulturalistischen Handlungstheorien andererseits.
Anwendungsbeispiele aus dem Bereich der Familienforschung, des abweichenden Verhaltens sowie moralischer Entscheidungsdilemmata in Krisenzeiten und schließlich Übergängen im Bildungsverlauf leiteten zum anschließenden Workshop mit dem Schwerpunkt Bildungsentscheidungen über. Dabei wurde das Modell in den Kontext verschiedener Forschungsvorhaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LIfBi gestellt, z. B. Entscheidung für/gegen frühkindliche Bildung/Betreuung in externer Einrichtung, private Weiterbildung sowie zu (hohen) Bildungsaspirationen von Menschen mit Migrationshintergrund oder Zusammenhang zwischen Habitus, kulturellem Kapital und Bildungserfolg oder auch Schulweg (Entfernung) und Bildungserfolg. Auch die empirischen Umsetzungen und mögliche Alternativen wurden erörtert.
Hierbei zeigte sich, dass RC zwar bei vielen Fragestellungen als ausreichend oder sogar ökonomischer eingestuft werden kann. In anderen Fällen hingegen eignet sich MFS besser, um die tatsächlichen Entscheidungsprozesse abzubilden, insbesondere, wenn diese nicht nur von Anreizen abhängen, sondern auch von Normen, festgefahrenen Gewohnheiten etc. Unter Berücksichtigung dieser „variablen Rationalität“ lässt sich auch scheinbar „irrationales“ Handeln gut erklären.